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Orchideengärtnereien und Corona

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Wissenswertes über Orchideen

Die Pflanzenfamilie der Orchideen gehört mit etwa 30.000 unterschiedlichen Arten zu einer der größten Blütenpflanzenfamilien der Welt. Man findet deren Vertreter fast über den gesamten Erdball verteilt! Es ist offensichtlich, dass sich diese  außergewöhnlichen Pflanzen über die Jahrmillionen der Evolution perfekt an die natürlichen Klimabedingungen ihrer Standorte angepasst haben. Dort, wo zeitweise lebensfeindliche Bedingungen herrschen, sei es im Winter durch Frost  oder im Sommer durch große Hitze und Trockenheit,  wachsen sie im Boden. Diese terrestrisch wachsenden Orchideen haben, den sich extremen Jahreszeiten  anpassend, ausdauernde Wurzelstöcke, die ihnen,  vergleichbar denen einer Staude, als Rückzugsort  dienen.

 

Pleione bulbocoioides

Im ewigen Sommer der Tropen jedoch wachsen sie in unendlicher Vielfalt nicht nur im Boden, sondern in der Mehrzahl hoch oben auf den Stämmen und Ästen der Bäume und sogar auf nackten Felsen in brennender Sonne. Um die dabei unvermeidlichen Notzeiten zu überstehen, sind Teile ihres Körpers als Speicherorgane ausgebildet. In diesen werden – wie bei Kakteen – sowohl Wasser als auch Nährstoffe eingelagert. Orchideen sind daher keine Schmarotzer, wie häufig irrtümlich angenommen wird. Man bezeichnet sie als Epiphyten, was soviel bedeutet wie Aufsitzer. Äste werden von ihnen nur als Befestigungsgrundlage genutzt, Wasser oder Nährstoffe werden den Wirten dabei nicht entzogen. Der Grund für dieses luftige Höhenwachstum ist im Lichtmangel der tropischen Urwaldböden zu suchen. Besonders bei Naturformen empfiehlt es sich, die Epiphyten auch in der heimischen Wohnung aufgebunden zu kultivieren.

Züchtungen (Hybriden) sind in der Regel wesentlich robuster, wüchsiger und  pflegeleichter. Die Pflege in Orchideensubstrat stellt meist kein Problem dar. Häufig  erkennt man epiphytisch wachsende Pflanzen an der erhöhten Anzahl der Luftwurzeln. Schon auf den ersten Blick ist dabei erkennbar, dass Orchideenwurzeln sich von den Wurzeln der meisten anderen Pflanzen stark unterscheiden. Unter anderem ist es ihnen auch möglich, Photosynthese zu betreiben. Diese Fähigkeit ist der Grund für die Verwendung transparenter Töpfe bei einigen Orchideenarten. Auf einen schönen Übertopf muss man aber nicht unbedingt verzichten, wenn dieser ausreichend groß gewählt wird.

Eine weitere Besonderheit sind die Blüten der Orchideen! Die intensive Farbgebung und der interessante symmetrische Aufbau der einzelnen Blüten haben sicherlich großen Anteil am Siegeszug der tropischen Vertreter in Europa. Häufig erinnert der Aufbau der Blüten an ein Insekt. Dieser Trick, Weibchen zu imitieren dient dazu, paarungswillige Insekten-Männchen zu täuschen und somit eine Befruchtung der Blüte zu erreichen.

 

Das Gewächshaus des Duke of Devonshire

Fasziniert waren auch jene Europäer, die erstmalig tropische Orchideen zu Gesicht bekamen. Schiffskapitäne und Piraten sind die ersten, die um 1790 von Pflanzen aus fernen Ländern erzählen. Sie berichten davon, dass Gewächse ohne Erde, jedoch mit wunderschönen Blüten ihre kargen Kabinen verschönert haben. Anfangs glaubt allerdings niemand diese unbegreiflichen Geschichten. Lange sollte es jedoch nicht dauern, bis die Attraktivität der Orchideen einen wahren Siegeszug der tropischen Schönheiten hervorrief. 1833 schreibt Lindley: „…die Nachrichten von Reisenden haben alle dazu beigetragen, bei dem Sammler seltener und seltsamer Pflanzen den lebhaften Wunsch zu erzeugen, jene Wunder der tropischen Wälder, der übrigen Pflanzenzahl beizustellen, um sie unter der Obhut eines geschickten Gärtners gedeihen zu sehen.“ Anfänglich sind die seltenen Importe nur der Aristokratie und dem Geldadel vorbehalten. In der feinen Gesellschaft gilt es als chic, die neuen Modepflanzen als Prestigeobjekt vorzeigen zu können. Im Hause des Hamburger Senators Jenisch wird 1852 die Blüte eines  Oncidiums mit Champagner begossen. Nach dem  Obergärtner des Senators wird die Orchidee Oncidium (Psychopsis) kramerianum benannt. In England nimmt die Sammelleidenschaft besonders erstaunliche Ausmaße an. Der Duke of Devonshire soll beim Anblick einer Psychopsis (Oncidium) papilio, deren Blüten aufbau stark an einen Schmetterling erinnert, derart bewegt gewesen sein, dass er nur einiger Jahre später eine der größten Sammlungen des Landes sein eigen nennt. Sein Gewächshaus nimmt für damalige Verhältnisse enorme Ausmaße an und lässt noch heute auf den Glanz der alten Zeiten schließen!


 

Orchideensammler 1922

Durch immer mehr Massenimporte gegen Ende des 19ten Jahrhunderts, geht die Exklusivität der Pflanzen langsam verloren. Man findet Orchideen jetzt auch bei weniger betuchten Blumenfreunden und an den Hemdskragen der Damen und Herren. Sammler werden von immer größer werdenden Orchideen gärtnereien auf die Jagd nach immer neuen und immer mehr Importen geschickt. Diese Männer erwartet ein aufregendes Leben, doch nur wenige machen sich vorher Gedanken über die  ungeheuren Entbehrungen, die sie während der monatelangen Reisen machen müssen. Der Bericht von Ortiges, einem der ersten Orchideensammler, gibt einen kleinen Einblick: „Die wilden reissenden Thiere Tiger u.s.w., die giftigen Schlangen, Crocodile machen nicht das Reisen gefährlich… denn sie greifen nur selten an… aber dagegen sind Moskitos und 3 Sorten Carapatos (Zecken) …die ärgsten Peiniger für Menschen und Thiere… Nun kommen noch Millionen kleiner Fliegen hinzu… welche ihre Eier in die Haut legen, nach einigen Wochen werden große Maden daraus, und die kleine Stichwunde wird zum eiternden Geschwüre. Es ist unmöglich, sich die Hölle schlimmer zu malen… auch der Durst peinigte uns entsetzlich und gar oft mussten wir das warme, lehmige Sumpfwasser, was so dick wie Tinte war, trinken…’’
(Ortiges 1859)

Was auch immer die Männer in diese Abenteuer getrieben hat, kann man sich nur schwer vorstellen. Für ihre Auftraggeber war der Handel mit Orchideen sicherlich ein sehr einträgliches Geschäft. Für spezielle Orchideen wurden Unsummen bezahlt! Für ein Odontoglossum nobile wurde auf einer Auktion der ungeheuere Preis von 3.500 Mark erzielt. Das entsprach damals dem gesamten Jahresgehalt eines Schulmeisters.

Heutzutage sind Orchideen zum Glück kein Luxusgut mehr! Durch stark verbesserte Zucht- und  Kulturmethoden sind Orchideen heute so erschwinglich wie nie. Seit 1996 findet man die Phalaenopsis in den Top Ten der beliebtesten Zierpflanzen, seit 2001 belegen diese dankbarsten Vertreter der Orchideen sogar Platz 1. Viele neue Züchtungen bereichern jedes Jahr das Angebot aufs Neue. Aber auch für  Interessierte an anderen Gattungen und Arten ist die Orchideenkultur längst kein elitäres Hobby mehr.

Die größte Pflanzenfamilie der Welt hat für jeden Geschmack etwas zu bieten; die botanische Vielfalt und die Möglichkeiten scheinen grenzenlos!


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